Gerichtsentscheidungen zu Green Claims und Klimaneutralität

Im Dezember 2022 setzte das Landgericht Stuttgart mit seinem Entscheid ein Zeichen gegen Greenwashing – doch diese Entscheidung ist nur eine aus einer Reihe von vielen Gerichtsurteilen.

Aktuell gibt es immer noch keine eindeutige gesetzlich verpflichtende oder allgemein anerkannte Regelung zum Umgang mit „Klimaneutralitäts“-Aussagen. Auf EU-Ebene werden aufgrund der aktuellen Krisen die Regelungen von sogenannten Green Claims weiter aufgeschoben. Auch auf nationaler Ebene gibt es derzeit keine Gesetzesinitiativen in dieser Richtung.

Der derzeit einzige Standard, an dem sich Unternehmen orientieren können, ist der britische Standard BSI PAS 2060. International befindet sich die Norm ISO 14068 zur Regelung der Anforderungen an Klimaneutralität von Unternehmen weiterhin in Entwicklung. Ein Abschluss des Normungsvorhabens ist für Ende 2023 angesetzt. Weitere Informationen zu dieser Norm können Sie in unserem DIN-Artikel nachschlagen.

Vor diesem Hintergrund werden viele Green Claims von Unternehmen oder Produkten intensiv diskutiert; oft wird dagegen geklagt.

Was sind die Grundlagen der Gerichtsurteile?

Bislang bezogen sich die Gerichtsentscheide durchweg auf die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der „Klimaneutralitäts“-Behauptungen. Bei den Klagenden handelt es sich in der Regel um Marktbegleiter oder Umweltorganisationen.

Bei dem ausführlich begründeten Urteil des Landgericht Stuttgart (Az. 53 O 169/22) wurden zur Begründung auch erstmals die Bilanzgrenzen der Treibhausgasbilanzierung und nicht oder unzureichend durchgeführte Reduktionsmaßnahmen für verbleibende Emissionen angeführt. Die angeklagte Partei hatte bei dem als „klimaneutral“ beworbenen Produkt die Entsorgungsphase ausgeklammert. Zudem forderte das Gericht bei einer „Klimaneutralitäts“-Aussage „eigene Anstrengungen des werbenden Unternehmens im Wege einer Verbesserung der Einkaufs-, Produktions- und/oder Transportprozesse“, welche bei der angeklagten Partei nicht nachgewiesen werden konnten.

Worauf sollte bei einer belastbaren Klimaneutralitätsaussage geachtet werden?

Möchte ein Unternehmen mit einer solchen Aussage werben, sollte immer klar sein, auf welches Objekt bzw. Systemgrenzen (Unternehmen, Produkt, …) sich diese Aussage bezieht. Bei Klagen wurde schon unterschiedlich entschieden, je nachdem, ob das „Klimaneutralitäts“-Siegel in das Firmenlogo integriert oder separat auf dem Produkt abgebildet wurde.

Zudem sollte auch die Wahl der Bilanzgrenzen nachvollziehbar und transparent dargestellt werden. Gerade mit Blick auf vor- und nachgelagerte Emissionen, sog. Scope 3 Emissionen, sollte eindeutig kommuniziert werden. Zudem empfehlen wir eine größtmögliche Transparenz bezüglich etwaiger Emissionsreduktions- und Kompensationsmaßnahmen und der genauen Kompensationsprojekte und Qualität der Zertifikate.

Im Angesicht der aktuellen Entwicklung bei Gerichtsentscheidungen empfiehlt sich, die vollständige Treibhausgasbilanz für Produkte oder Unternehmen mit vor- und nachgelagerter Wertschöpfungskette zu betrachten, bevor die Aussage „klimaneutral“ getroffen wird. Unserer Auffassung nach, sollte Klimaneutralität als Prozess verstanden werden. Auf die ausführliche Darlegung von (geplanten) Reduktionsmaßnahmen sollte großen Wert gelegt werden und tatsächliche Emissionsreduktionen sollten belastbar nachgewiesen werden können.

Um möglichen Risiken in der Kommunikation oder Bilanzierung Ihrer Treibhausgasemissionen vorzubeugen, ist eine externe Überprüfung durch eine akkreditierte Verifizierungsstelle empfehlenswert.

Haben Sie Fragen oder Hinweise zum Thema Klimaneutralität? Wenden Sie sich gerne an Florian Himmelstein.

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