Wir müssen über Vergleichbarkeit reden

Product und Corporate Carbon Footprints sind in aller Munde und häufig auch schon Vorgabe für das Einreichen von Angeboten – aber was macht man mit den Informationen?

Zur Erstellung von Treibhausgasbilanzen für Produkte und Unternehmen gibt es die international anerkannten Standards des Greenhouse Gas Protocols (Corporate und Product Standard) und die entsprechenden Normen aus der ISO Welt (ISO 14067 und ISO 14064-1). Diese dienen den meisten Unternehmen zum Erstellen von Treibhausgasbilanzen, also sogenannten Carbon Footprints.

Die Normen geben ein Rahmenwerk vor, mit dessen Hilfe sich Treibhausgasemissionen für ein Unternehmen, Produkt, eine Dienstleistung oder Veranstaltungen und Weiteres kalkulieren lassen. Der Anspruch ist, möglichst vollständig die entstehenden Treibhausgase innerhalb der gewählten Bilanzgrenzen zu erfassen. Das erklärte Ziel der Normen ist es, Organisationen zu befähigen, innerhalb ihrer Wertschöpfungsketten oder des Lebenswegs ihrer Produkte die wesentlichen Treibhausgasherde zu identifizieren, um anschließend daraus eine Zielsetzung und Reduktionsmaßnahmen abzuleiten.

Das Problem mit der Motivation zur Treibhausgasbilanzierung

Bei vielen Unternehmen liegt die Motivation zur Treibhausgasbilanzierung jedoch an anderer Stelle. Oft ist die Kommunikation von Product Carbon Footprints (PCF) Voraussetzung zum Einreichen von Angeboten oder Unternehmen wollen ihre Produkte oder die eigene Organisation mit Marktbegleitern vergleichen.

Auf der anderen Seite entscheiden Einkaufsabteilungen auf Basis der mitgelieferten PCF, welcher Zulieferer ausgewählt wird, mit dem Ziel, die Treibhausgasbilanz des eigenen Unternehmens zu reduzieren. Das mag aktuell eher der Einzelfall sein, mit Blick auf kommende Reporting-Systeme – Stichwort CSRD – erscheint dieser Gedanke aber nicht abwegig.

Und hier kommt das Problem: Ein Vergleich auf Basis des reinen Werts eines Corporate Footprints oder Product Carbon Footprints, also „X t CO2e“, ist auf dem aktuellen Stand der Normung kaum möglich. Grund hierfür ist, dass im Rahmen der oben genannten Standards unterschiedliche Qualitäten angewendet werden können für Aktivitätsdaten, Berechnungsmethoden und Emissionsfaktoren. Zudem können im Rahmen der Standards unterschiedliche Bilanzgrenzen gewählt werden oder auch einzelne Aktivitäten ausgeschlossen oder in die Bilanz aufgenommen werden. Gefordert wird von den Standards, dass das Vorgehen bei der Berechnung die Quelle der Emissionsfaktoren, die Bilanzgrenzen und die Ausschlüsse inklusive Begründung umfassend dokumentiert sind.

Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus Carbon Footprints ziehen?

Im Worst-Case-Szenario wird ein Carbon Footprint auf Basis von realen Aktivitätsdaten und spezifisch passenden Emissionsfaktoren mit einem Carbon Footprint verglichen, der fast ausschließlich auf Literaturwerten, Schätzungen und Berechnungsmodellen basiert. Und das, obwohl beide der Norm entsprechen und theoretisch auch unabhängig verifiziert sein können!

Oder, noch schlimmer, kann eine umfassendere Treibhausgasbilanz zu einem höheren Carbon Footprint führen, da auch die weniger relevanten Treibhausgasquellen einbezogen werden. Diese Bilanz steht dann beim direkten Vergleich erst einmal schlechter da.

Ohne den umfassenden Treibhausgasbericht – den kein Unternehmen gerne herausgibt, da dieser meist sensible Informationen enthält – lassen sich Carbon Footprints kaum vergleichen. Und selbst wenn diese Daten vorlägen, bräuchte man umfassende fachliche Expertise, um einschätzen zu können, ob überhaupt Vergleichbarkeit gegeben ist. Im Ergebnis ist immer eine detaillierte Betrachtung der zugrundeliegenden Annahmen notwendig und es sollten keine voreiligen Schlüsse gezogen werden.

Worauf sollte aktuell bei einem Vergleich geachtet werden?

Große Reporting-Systeme wie etwa das Carbon Disclosure Projekt (CDP) haben diesen Sachverhalt schon länger verstanden und gründen ihr Bewertungssystem nicht auf der Höhe oder Intensität von Treibhausgasemissionen, sondern auf Transparenz und Umfang der Berichterstattung. Gleiches sollte auch bei Vergleichen von Organisationen oder bei der Auswahl von Zulieferern passieren. Der Fokus sollte aktuell darauf liegen, wie ernst es das betrachtete Unternehmen meint.

  • Wie umfassend berichtet das Unternehmen?
  • Wird das Thema möglichst transparent behandelt?
  • Werden gerade so die Pflichtanforderungen erfüllt?
  • Wird deutlich, dass das Unternehmen dieses Wissen auch nutzt, um Emissionen zu reduzieren?

Solche Fragen sollten beantwortet werden, um zu bewerten, wie ernsthaft der Transformationsprozess von Unternehmen angegangen wird.

Ein Ausblick zum Thema Vergleichbarkeit

Eine Lösung für vergleichbare Carbon Footprints bieten spezielle Regelwerke für spezifische Branchen, u.a. Together for Sustainability (TfS) oder Produkte und Produktgruppen (Product Category Rules:  PCR). Auf Product-Carbon-Footprint-Ebene befinden diese sich aktuell von verschiedenen Seiten Entwicklungs¬stadium. Diese speziellen Regelwerke basieren auf den oben genannten ISO-Standards und dem Greenhouse Gas Protocol, definieren jedoch die spezifisch zu betrachtenden Bilanzgrenzen, geben zu verwendende Standardwerte vor und klären den Umgang mit Spezialfällen wie Recycling oder Allokation.

Aktuell wird intensiv an diesen PCR auf Verbandsebene gearbeitet. Auf der anderen Seite werden auf EU-Ebene Gesetze geschaffen, die eine PCR-ähnliche Auswirkung haben (s. EU-Batterieverordnung). Aber der Weg ist noch lang und es ist noch eine Menge Arbeit zu leisten, bis wirklich umfassend PCR für alle relevanten Produktgruppen existieren.

Das Fazit

Aufgrund der Zielsetzung und Vorgehensmethode der Standards ist Vergleichbarkeit von Product und Corporate Carbon Footprints nicht durchweg gegeben. Die Höhe der Treibhausgasemissionen allein ist kein ausreichendes Maß, um Unternehmen oder Produkte fair zu vergleichen. Stattdessen sollte der Fokus auf der Transparenz und dem Umfang der Berichterstattung liegen, um zu beurteilen, wie ernsthaft ein Unternehmen den Transformationsprozess zur Emissionsreduzierung angeht.

Die Entwicklung von speziellen Regelwerken, wie den Product Category Rules (PCR) für bestimmte Branchen oder Produktkategorien, kann dazu beitragen, die Vergleichbarkeit zu verbessern. Diese Regelwerke legen einheitliche Standards und Vorgaben fest, um sicherzustellen, dass Bewertungen innerhalb derselben Kategorie konsistent sind.

Ansprechperson

Haben Sie Fragen oder Hinweise zum Thema Carbon Footprints und deren Vergleichbarkeit? Wenden Sie sich gerne an Florian Himmelstein.

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