Überarbeitung des Corporate Net-Zero Standards der SBTi
Weitere Ansätze zur Scope-3-Reduktion und möglicher Einsatz von Environmental Attribute Certifications in technischen Dokumenten zum Carbon Net-Zero Standard der SBTi veröffentlicht.
Die Science Based Targets Initiative ist eine gemeinsame Initiative von CDP, UNGC, WRI und WWF. SBTi unterstützt die Ziele des Pariser Abkommens, indem sie Klimaschutzmaßnahmen im privaten Sektor vorantreibt und dazu entsprechende Standards entwickelt. Sie ermöglicht es Organisationen, sich zu wissenschaftsbasierten Emissionsreduktionszielen (Science based targets) zu verpflichten. Dazu müssen Reduktionspläne entwickelt werden, die einen 1,5 °C-konformen Reduktionspfad ermöglichen.
Die SBTi konzentriert sich auf die Emissionsmenge, die reduziert werden muss, um die Ziele des Pariser Abkommens – die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C – zu erreichen. Bisher waren Kompensationszertifikate nicht im Anwendungsbereich der SBTi-Standards enthalten. Ein Anwenden dieser war nicht gefordert und auch nicht möglich.
Welche Neuerungen stehen zur Diskussion?
Derzeit erfolgt seitens der SBTi eine Überarbeitung des Carbon Net-Zero Standard (CNZS). Im Rahmen der genannten Überarbeitung wurden im Juli dieses Jahres vier technische Dokumente publiziert, die sich mit einem effektiveren Ansatz zur Reduktion von Scope-3-Emissionen befassen. Die Veröffentlichungen zielen darauf ab, die Planung von Emissionsreduktionszielen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu optimieren und die potenzielle Rolle von EACs für das Erreichen dieser Ziele zu beleuchten.
Gemäß dem Verfasser sind die Inhalte als Diskussionsgrundlage zu verstehen, um dadurch die öffentliche Beteiligung am Überarbeitungsprozess anzuregen.
Betrachtete Ansätze zur besseren Zielsetzung in Scope 3
Die SBTi präsentiert drei potenzielle Optionen, wie durch Optimieren der bestehenden Ansätze eine effizientere und glaubwürdigere Zielsetzung erreicht werden kann.
Ein Ansatz besteht darin, ein breiteres Spektrum an Metriken zur Verfügung zu stellen, um die Klimaleistung eines Unternehmens umfassender bewerten und kommunizieren zu können. Das Ziel besteht darin, die bisher vorherrschende Messgröße der kumulierten Scope-3-Emissionen in Tonnen CO2-Äquivalent durch nicht emissionsbasierte Messgrößen zu ergänzen. Als Beispiel kann hier der prozentuale Anteil des aus erneuerbaren Quellen stammenden Stroms genannt werden. Diese Metriken würden dazu beitragen, Wertschöpfungsketten besser auf die globalen Klimaziele abstimmen zu können.
Derzeit verfolgt der SBTi-Standard einen pauschalen Ansatz beim Festlegen von Mindestemissionsreduktionszielen. Für alle Unternehmen und Sektoren gilt demnach die gleiche Mindestgrenze, was zu zahlreichen Herausforderungen führen kann. Vor diesem Hintergrund präsentiert die Veröffentlichung einen weiteren alternativen Ansatz zum Festlegen von Zielgrenzen, der es Unternehmen ermöglicht, Maßnahmen zu priorisieren und sich auf die klimarelevantesten Emissionsquellen zu konzentrieren. Bei der Priorisierung können folgende Parameter berücksichtigt werden:
- Emissionshöhe
- Aktivitäten in klimarelevanten Sektoren
- Risiko eines zukünftigen Lock-in-Effekts
Ein weiteres zentrales Thema ist die Beeinflussbarkeit spezifischer Emissionsquellen. Denn die Einflussnahme auf die Emissionen von Lieferanten oder Nutzern verkaufter Produkte stellt eine große Herausforderung dar. Der vorgeschlagene Ansatz sieht eine Bewertung, Priorisierung und nachfolgende Umsetzung differenzierter Interventionen zum Beeinflussen spezifischer Emissionsquellen vor. Dabei besteht das Risiko, dass Unternehmen Emissionsquellen, auf die sie wenig oder keinen Einfluss haben, aus der Zielsetzung ausschließen. Die Verfasser weisen auf die Risiken dieses Ansatzes hin, insbesondere aufgrund der subjektiven Bewertung der Einflussmöglichkeit, und empfehlen weitere Untersuchungen, um die Glaubwürdigkeit des Ansatzes zu gewährleisten.
Potenzielle Einsatzmöglichkeiten von EACs
Environmental Attribute Certifications (EACs) umfassen ein breites Spektrum an Instrumenten, mit denen spezifische Umwelt- oder Nachhaltigkeitsaussagen zertifiziert und kommuniziert werden können. Daraus können sich verschiedene Vorteile ergeben: Bestätigung der Einhaltung von Umweltstandards, Untermauerung von Umweltaussagen, Unterstützen bei der Einhaltung freiwilliger und gesetzlicher Regelungen, Förderung von Transparenz in der Wertschöpfungskette. Grob lassen sich EACs in zwei Kategorien unterteilen: Rohstoffzertifikate und CO2-Zertifikate. Für Rohstoffzertifikate stehen bereits sogenannte Chain-of-Custody (CoC) Modelle zur Verfügung, die eine lückenlose Rückverfolgung von Rohstoffen und deren Attributen entlang der gesamten Wertschöpfungskette gewährleisten. Auch für CO2-Zertifikate sind ähnliche Modelle denkbar.
Die Veröffentlichung zeigt fünf potenzielle Anwendungsbereiche auf, in denen EACs in Verbindung mit CoC-Modellen dazu beitragen können, Behauptungen zur Erreichung von Netto-Null-Emissionen zu stützen. Rohstoffzertifikate könnten beispielsweise dazu eingesetzt werden, um gezielt solche Produkte und Dienstleistungen zu beziehen, deren Emissionen mit den globalen Klimazielen und der Erreichung von Netto-Null-Emissionen konform sind.
Die SBTi-Standards schließen derzeit die Anrechnung von CO2-Zertifikaten als direkte Emissionsreduktion für wissenschaftsbasierte Ziele aus. In diesem Papier wird jedoch die Möglichkeit untersucht, Kohlenstoffgutschriften aus rückverfolgbaren Minderungsmaßnahmen innerhalb der Wertschöpfungskette zu verwenden, um Emissionsminderungsbehauptungen zu untermauern. Solche Gutschriften könnten dann in die Unternehmens-Treibhausgasinventare integriert werden.
Das Dokument beleuchtet zudem die Möglichkeit, Kohlenstoffgutschriften zur Neutralisierung von Restemissionen einzusetzen, indem entsprechende Aktivitäten finanziert werden, die dauerhaft Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernen und speichern. Außerdem wird die Möglichkeit des Kaufs und der Stilllegung von hochwertigen Kohlenstoffgutschriften für „Beyond Value Chain Mitigation“ (BVCM) als Beitrag zur globalen Netto-Null-Transformation untersucht. Diese Vorgehensweise unterscheidet sich vom traditionellen Offsetting. Sie zielt darauf ab, Unternehmen einerseits dazu zu motivieren, Emissionen innerhalb ihrer Wertschöpfungsketten zu reduzieren und gleichzeitig die Verantwortung für noch nicht angegangene Emissionen zu übernehmen.
Wie geht es weiter?
Einzelne Aspekte der hier vorgestellten Inhalte, insbesondere der Einsatz von CO2-Zertifikaten, wurden in den vergangenen Monaten bereits kontrovers diskutiert. Ob und in welcher Weise Inhalte aus den hier vorgestellten vier technischen Dokumenten letztendlich in die neue Version des CNZS einfließen, bleibt offen. Laut SBTi wird zum Ende des Jahres ein erster Entwurf der neuen Version publiziert und zur öffentlichen Diskussion gestellt.
Ansprechperson
Haben Sie Fragen oder Hinweise zum Thema Kompensation von Treibhausgasen? Wenden Sie sich gerne an Manuel Felgentreff.