Durch QMS effektivere und effizientere Unternehmensabläufe

Am 9. August 2018 führte Hela Lange (GUTcert) ein Interview mit Dipl. Ing. Lutz Redlinger über das Qualitätsmanagement der Francotyp-Postalia

Dipl. Ing. Lutz Redlinger

Vor mehr als einem Jahrzehnt führte die Francotyp-Postalia Holding AG (FP) ihr erstes Qualitätsmanagementsystem (QMS) ein. Seit einigen Jahren ist das Unternehmen mit einem beispielhaften Qualitätsmanagement nach ISO 9001 durch die GUTcert zertifiziert. FP ist der Spezialist für sicheres Mail Business und sichere digitale Kommunikationsprozesse.

Dipl. Ing. Lutz Redlinger studierte Nachrichtentechnik an der Technischen Universität in Berlin. Seit März 2003 ist er der integrierte Managementbeauftragte für Qualitätsmanagement, Energiemanagement, Umweltmanagement, Arbeitssicherheit und Informationssicherheit.

Lange: Herzlichen Dank, dass Sie bereit sind, mit uns über Ihr QMS zu reden. Seit wann ist Ihr Unternehmen denn nach ISO 9001 zertifiziert?

Redlinger: Eingeführt haben wir unser QMS bereits im Januar 2007. Damals noch nach
ISO 9001:2000.

Lange: Welche Motive standen damals bei Ihnen im Vordergrund, ein QMS einzuführen und es dann auch zertifizieren zu lassen?

Redlinger: Im Wesentlichen waren es Kundenforderungen und das Erfüllen von externen Kundenwünschen. Weitere wichtige Aspekte waren auch die Stärkung des präventiven Arbeitens im Unternehmen, das optimierte Lenken von Dokumenten und – durch die internen Audits – die stetige Verbesserung unseres Unternehmens. Das QMS hat uns geholfen, effektivere und effizientere Abläufe im Unternehmen zu etablieren.

Lange: Gibt es organisatorische Erfolge durch den prozessorientierteren Ansatz?

Redlinger: Ja, da gibt es sogar einige Vorteile, die wir aus dem Prozess schöpfen konnten. Zum einen haben wir die Zahl redundanter Abläufe reduziert. Dazu zählen etwa einheitliche Prozessabläufe, das Löschen mehrfach definierter Abläufe zum selben Thema usw. Auch die Optimierung unserer internen Audits sehen wir als Errungenschaft an, genauso wie die nun eindeutigeren Verantwortungsregeln im internen und externen Kundenbezug. Auch das „Kästchendenken“ wurde durch die Prozesswelt deutlich reduziert, da Prozesse auch die internen und externen Schnittstellen klarer zusammenfassen.     

Lange: Die ISO 9001 durchlief ja eine Revision. Diese sollte auch dazu dienen, dass sich Unternehmen im Rahmen von Managementsystemen mehr mit dem eigenem Kontext beschäftigen und daraus Risiken und Chancen fundiert ableiten und dementsprechende Aktivitäten planen können. Was tun Sie denn genau, um Chancen zu identifizieren?

Redlinger: Wir hatten bereits vor der Normeinführung der ISO 9001:2015 u.a. auch unser Prozesscontrolling und die internen Audits entsprechend angepasst. So gehört z.B. zu jedem Auditprotokoll eine SWOT-Analyse für den Vorstand und den auditierten Bereich. Alle Feststellungen aus Audits, Betriebsbegehungen, externen und Kundenaudits, Einzelmeldungen, etc. werden zentral über eine Controlling-Liste gepflegt und hierbei nach Risiken und Chancen gewichtet. In unserer Controlling-Liste werden Potenziale in 5 Stufen klassifiziert:

Z - operatives Ziel (jährlich aus strategischen Zielen abzuleiten)
E - Empfehlung (Chance)
H - Hinweis (geringe Nebenabweichung, einzelne Fehler)
B - Beanstandung (gravierende Nebenabweichung, häufige Fehler)
A - Hauptabweichung (systematische Fehler)

Unsere Anpassungen werden auch immer aus Ergebnissen von Audits abgeleitet, weshalb die Zertifizierung mit dem externen „nicht-betriebsblinden“ Blick für uns von großer Bedeutung ist.

Lange: Konnten Sie denn einige Chancen schon in Projekte umwandeln? Können Sie uns ein Beispiel als Leuchtturmprojekt aufzeigen?

Redlinger: Ja, das passiert häufiger. „Leuchttürme“ sind mit Sicherheit das Entstehen unserer zentralen Controlling-Liste, die Optimierungen im internen Auditverfahren und die Verbesserung diverser Prozessabläufe. Von diesen Zusammenhängen hat auch unsere aktuelle ACT-Strategie (Attack, Customer, Transformation) profitiert, die den PDCA-Zyklus an allen Stellen im Unternehmen durch Teilprojekte unterstützt und begleitet. Viele Teilprojekte tragen heute zum unternehmerischen und wirtschaftlichen Erfolg bei.
Unser Fazit ist, dass das verstärkte Nutzen von Chancen und die frühzeitige Umstellung auf die aktuellen Normforderungen (auch die Zertifizierung nach ISO 9001:2015 bereits im Jahr 2015) zu einen großen Anteil zum wirtschaftlichen Erfolg beitragen.

Lange: Sie haben vorhin Ihre Kunden angesprochen. Einer der Schwerpunkte der ISO 9001 ist eine Stakeholder-Analyse. Wir führen Sie die Analyse durch und wie fördern Sie den Stakeholder Value?

Redlinger: Hierfür hatten wir uns schon frühzeitig Umweltaspekten der ISO 14001 herangezogen und die direkten und indirekten Aspekte auf alle anderen Normen als Systemaspekte übertragen. Im Rahmen der heutigen Controlling-Liste der Systemaspekte führen wir die internen und die externen Stakeholder zusammen. Wir verweisen auf die entsprechenden Rechtsgrundlagen und unsere strategischen Ziele zu den einzelnen Normen (9001, 14001, 45001, 50001, 27001) womit wir gleichzeitig jährlich unsere operativen Ziele zusammenfassen. Die strategischen Ziele ordnen wir so auch unseren Stakeholdern zu und gewichten diese gegenüber den einzelnen Systemen. Hierüber haben wir in Kurzform die für uns relevanten Stakeholder erfasst, ohne diese nochmal speziell und abteilungsbezogen gewichten zu müssen.

Lange: Gibt es in Ihrer Branche Möglichkeiten, ein zertifiziertes QMS als Wettbewerbsvorteil nach außen zu kommunizieren?

Redlinger: Nur das QMS allein wäre heute für unser Unternehmen nicht genug. Unseren  Wettbewerbsvorteil schöpfen wir aus der Integration der verschiedenen Managementsysteme mit fünf Normstandards.

Lange: Mitarbeiter sind ebenfalls Stakeholder und spielen eine essenzielle Rolle beim Umsetzen und Weiterentwickeln eines QMS. Wie hoch schätzen Sie den Bekanntheitsgrad und die Akzeptanz des QMS bei Ihren Mitarbeitern ein? Wurden auch Ideen von Mitarbeitern eingereicht, die Sie bereits im QMS umgesetzt haben?

Redlinger: Das Thema Ideenmanagement wird bei uns gerade als Projekt komplett reformiert und soll auf einer crowd-basierten Plattform stehen. Das IMS (integriertes Managementsystem) ist allen Mitarbeitern bekannt und wird nicht nur akzeptiert sondern auch von diesen weiterentwickelt. Eine Trennung zum QMS pflegen wir hier nur noch bei internen Audits. Aktuell werden Ideen, Verbesserungen oder auch Feststellungen von Mitarbeitern über unsere Controlling-Liste eingereicht und in der Folge bearbeitet.
Eine Herausforderung ist, unser IMS für alle Mitarbeiter transparent zu gestalten, damit es durch neue Ideen ständig weiterentwickelt wird. So gibt es vereinzelt auch Prozessentwürfe, um die Schnittstellen entsprechend anpassen zu können. Beispiel ist das o.g. Ideenmanagement.

Lange: Bleiben wir bei Ihren Mitarbeitern. Ein weiterer wichtiger Punkt in der ISO 9001 ist das Wissensmanagement. Besonders der Verlust von Wissen kann für Unternehmen zu einem Problem werden. Wie verhindern Sie den Wissensverlust?

Redlinger: Wir können noch nicht ausschließen, dass kurzfristige Mitarbeiterverluste zu neuen Herausforderungen führen. Wir versuchen jedoch, gezielt dem Alterstrend vorzubeugen und Nachwuchskräfte anzuwerben, um diese entsprechend für spätere Aufgaben vorzubereiten. Das Wissensmanagement hat bei uns eine hohe Bedeutung und wird entsprechend gefördert. Das betrifft auch die vielen Rollenverantwortlichen, die bestimmte zentrale Aufgaben im Unternehmen wahrnehmen. Verbesserungsmöglichkeiten gibt es immer, so werden diese Themen gerade über unser Personalmanagement projektbezogen überprüft, um gerade dem eingangs erwähnten Wissensverlust durch Mitarbeiterabgänge frühzeitig vorzubeugen.

Lange: Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben für diese Informationen. Weiterhin viel Erfolg mit Ihrem Qualitätsmanagement.

Ansprechpartner Francotyp-Postalia Holding AG:
Herr Lutz Redlinger
Integriertes Managementsystem Beauftragter
(QM, UM, AM, EnM, ISM)
+49 6723-6046-203
l.redlinger@francotyp.com
www.fp-francotyp.com

Fragen zum Interview oder der Zertifizierung beantwortet Ihnen gerne:
Frau Hela Lange
Projektkoordinatorin Managementsysteme
+49 30 2332021-88
hela.lange@gut-cert.de

Zurück