Schokolade – energiereich im Genuss, aber energieeffizient produziert

Will man Schokolade energieeffizient herstellen, muss man genau wissen, worauf es ankommt. Die Ludwig Weinrich GmbH & Co. KG zeigt, wie es geht.

Das ostwestfälische Familienunternehmen Ludwig Weinrich GmbH & Co. KG beschäftigt sich in vierter Generation seit über 120 Jahren mit raffinierten Schokoladenrezepturen für perfekte Genuss-Momente. Die Verantwortung gegenüber Mensch und Natur am Produktionsstandort selbst und innerhalb der Wertschöpfungskette setzen dabei über die Jahre den Maßstab für die strategische Entwicklung des Unternehmens.

Das Produzieren von Schokolade braucht viel Energie

Das Erhitzen der Rohmasse, das Verrühren aller Zutaten, das Kühlen der fertigen Tafeln, die Verpackung und das Reinigen der Maschinen – all das ist zu beachten, wenn man dabei nachhaltig handeln will.

Die Vielfalt und Komplexität der zu bewältigenden Herausforderungen nachhaltiger Entwicklung fordern daher langfristig unweigerlich einen systematischen Ansatz. Das bedeutet Konsistenz bei der Planung, Umsetzung und Reflektion von Entwicklungen und Aktivitäten im Unternehmen. Dies erklärt, warum Ludwig Weinrich verschiedene Zertifizierungen pflegt, sei es Betriebliches Umwelt-, Energie-, Arbeitssicherheits- und Gesundheitsmanagement oder IFS als lebensmittelspezifischer Standard, bei dem es um die Sicherstellung von Lebensmittelsicherheit, Qualität und Legalität bei der Produktion von Lebensmitteln geht. Auch Bio- und Nachhaltigkeitszertifizierungen wie UTZ/Rainforest und Fairtrade stehen auf dem Plan, die bei Bezug der Rohstoffe Gewissheit schaffen, dass auf die Umwelt und faire Arbeitsbedingungen beim Anbau, der Ernte und Verarbeitung geachtet wird.

Yulia Felker, Leiterin des Bereichs Nachhaltige Entwicklung bei der GUTcert, sprach mit der Ludwig Weinrich GmbH & Co. KG. Im Fokus standen dabei die Erfahrungen des Unternehmens mit dem Thema Energie- und Umweltmanagementsysteme (UMS & EnMS).

Welche Stärken und Potenziale sehen die Verantwortlichen bei beiden Systemen, welche Synergieeffekte werden erwartet und wo geht die Reise hin – diese Fragen beantworteten, Nadeshda Gudi, Umwelt- und Energiebeauftragte und Hans-Joachim Kamphowe, Energiemanager.

Ihr Energiemanagementsystem wurde erstmalig im Jahr 2013 zertifiziert. Das war für das Unternehmen auch die erste Erfahrung mit einem ISO-Managementsystem. Was war damals für die Verantwortlichen bei der Einführung des Managementsystems das Schwierigste?

Es war zwar unser erstes ISO-System, jedoch nicht das erste Managementsystem. Wir kannten die Systematik bereits aus unserem Qualitätsmanagement. Gleichwohl waren große Wissenslücken aufgetreten, wie man eine gewachsene Energiestruktur erfassen kann, um sie dann in sinnvolle Kennzahlen zu transformieren.

Um den vielen spannenden Herausforderungen gerecht zu werden, haben wir ein breit aufgestelltes Energie-Team zusammengeführt: Energiebeauftragte, Betriebsleiter, Produktionsleiter, Produktionsplaner, Schichtleiter, Controller, Beschaffungsleiter, Leiter der Werkstätte, Verantwortliche in den Bereichen Strom, Druckluft und Wärme. In einer großen Runde treffen wir uns alle drei Monate. Im Alltag besprechen wir laufende Projekte und Aufgaben jedoch fast täglich. Gemeinsam geht es einfach immer leichter und so lassen sich auch die Managementaufgaben deutlich besser in Arbeitsabläufe integrieren.

Mit der Einführung der ISO 14001 hat das Energie-Team die Umweltlenkung maßgeblich übernommen und ist, mit etwas Verstärkung aus dem Bereich Nachhaltigkeit, zu einem Umwelt-Energiemanagement-Team gewachsen.

Aus unserer Auditerfahrung wissen wir, dass der Erfolg eines Managementsystems vor allem davon abhängt, ob die Belegschaft das System versteht, akzeptiert und lebt. Die interne Kommunikation in Ihrer Produktion wurde im Jahr 2019 vom Auditor sehr positiv bewertet: Bei der Schichtübergabe treffen sich Schichtleitung, Technik und Qualitätsmanagement zur Besprechung – kein relevantes Thema wird vernachlässigt, Ideen werden gesammelt und notwendige Maßnahmen in Aktionsplänen erfasst.

Was haben Sie unternommen, um Mitarbeiter aller Funktionen und Ebenen von Beginn an mit an Bord zu holen?

Schulen und Informieren! Je häufiger man eine Sache thematisiert und darüber kommuniziert, desto selbstverständlicher geht man damit im Alltag um. Nur so kann ein System wirklich gelebt werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Mitglieder des Energieteams im Arbeitsalltag für die Mitarbeiter präsent sind und offen auf Fragen und Ideen der Kollegen eingehen. Kurze Kommunikationswege, regelmäßige Runden, Besprechungen und Rundgänge in der Produktion – all dies steigert sicherlich die Akzeptanz und die Bereitschaft der Kollegen, mitzuwirken. In beiden Systemen suchen wir nach Möglichkeiten, das Vorschlagswesen zu etablieren und freuen uns immer wieder über die Ideen, die Mitarbeiter einbringen. Im weiteren Ausbau des Vorschlagswesens sehen wir einen wichtigen Punkt für die Weiterentwicklung des Managementsystems, um unsere Leistung in den nächsten Jahren noch weiter zu verbessern.

Über die Jahre haben Sie Potenziale für die Verbesserung der energiebezogenen Leistung identifiziert, eine Vielzahl an Maßnahmen bewertet und umgesetzt. So haben Sie eine beachtliche Energieeinsparung erreicht. Die Energie.Agentur NRW berichtete im August 2019 über ein Projekt aus Ihrem Hause: Die hocheffiziente Energiezentrale verwandelt einen der größten Stromverbraucher Herfords zum Eigenerzeuger.

Welche anderen technischen oder organisatorischen Projekte sind Ihnen in Erinnerung geblieben?

Unser Kesselhaus ist einer der größten aber nicht der einzige wesentliche Energieverbraucher. Daher können wir eine lange Liste der erfolgreich umgesetzten Energieeffizienzmaßnahmen präsentieren, die auch andere Bereiche der Produktion oder Infrastruktur betreffen. Eines der ersten Projekte war z.B. der Umbau des Druckluftnetzes in ein Ringnetz und die Absenkung des Betriebsdruckes. Weitere Maßnahmen sind etwa die Installation zahlreicher Wärmerückgewinnungsanlagen und eine Intervallsteuerung bei Rührwerken der Schokotanks. Auch die intelligente Beleuchtung der Regalreihen im Hochregallager spielt eine Rolle.

Auf jeden Fall ruhen wir uns auf den Erfolgen nicht aus und sind ständig auf der Suche nach weiteren Optimierungspotenzialen. Es bleibt noch Einiges zu tun.

Der ISO 140001:2015 liegt die übergeordnete High Level Structure (HLS) zugrunde. Diese dient u.a. dem Zweck, mehrere Managementsysteme einfach zu integrieren. Die ISO 50001 wird bei Ihnen in 2020 ebenfalls auf die neue Struktur umgestellt.

Wird Ihnen die „jüngere ISO-Schwester“ bei der Transition des EnMS helfen?

Beide ISO-Normen haben nach der letzten Umstellung der ISO 50001 jetzt viele Gemeinsamkeiten, was den Übergang natürlich erleichtert. Mit vielen Themen, wie den interessierten Parteien oder dem Kontext des Unternehmens, haben wir uns ja schon auseinandergesetzt und lernen, damit zu arbeiten. Nicht zu vergessen sind die Dokumentenstruktur, Prozess- und Verfahrensbeschreibungen: Diese wurden für das UMS so konzipiert, dass die EnMS-relevanten Inhalte in das bestehende Gerüst passen. Von Null müssen wir also zum Glück nicht anfangen.

Das Hauptziel von ISO-Managementsystemen besteht in der messbaren Verbesserung der Leistung, weshalb das Messen und Verifizieren enorm wichtig ist. Aus dem Bericht lesen wir, dass das Unternehmen kontinuierlich an der besseren messtechnischen Transparenz arbeitet. Wie beim Großteil unserer Kunden haben sich bei Ihnen im Hause einige Messstellen historisch entwickelt, einige fehlen noch, sind aber in Planung.

Wie entwickelt sich momentan bei Ihnen das Messkonzept oder, im Sprachgebrauch der revidierten ISO 50001, der „Plan der Energiedatensammlung“?

Die Bereiche mit dem wesentlichen Energieeinsatz (SEUs) bestimmen maßgeblich die Schwerpunkte das Messkonzepts. Schritt für Schritt verbessern wir unsere messtechnische Transparenz. In den letzten Jahren haben wir enorm nachgerüstet.

Der Wärmeeinsatz ist nach Inbetriebnahme der Energiezentrale 2018 messtechnisch sehr solide abgedeckt. Hier sprechen wir nun ausschließlich von der künftigen Verfeinerung der messtechnischen Erfassung. Beim Stromverbrauch der Produktionsanlagen sind wir auf dem richtigen Weg: Im letzten Jahr sind wir von 36 festinstallierten Messeinrichtungen auf 43 gekommen, weitere Messstellen, vor allem in der Produktion, sind bereits geplant. Sollte keine festinstallierte Messtechnik vorhanden sein, wenden wir für die Messung aber auch das Verifizieren der Ergebnisse mobiler Messgeräte an. Die Entscheidungen werden in den Besprechungen des Energie-Teams gefällt und schnell umgesetzt. So erweitern wir unsere Datenerfassung und erhoffen, dabei neue Kennzahlen und eventuell neue Stellschrauben für Energieeinsparungen zu finden. Auch für die Nachweisführung in den Aktionsplänen ist die Erweiterung des Messsystems unentbehrlich.

Auch Die Beschaffung spielt eine bedeutende Rolle für die Weiterentwicklung des Messsystems in unserem Hause: Bei der Planung neuer Objekte oder Anlagen dürfen die nötigen Messstellen nicht fehlen.

Um Fortschritte transparent zu machen, braucht es gut vergleichbare Ausgangsbasen. Das Bereinigen der Variablen, die auf die energetisch relevanten Systeme einwirken, oder das Anpassen der Ausgangsbasen fällt nicht immer leicht.

Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Das Bestimmen und Bereinigen der Einflussfaktoren sind große Themen, und herausfordernde Aufgaben. Bei einigen Anlagen und Einflussfaktoren geht es leichter, bei den anderen wird es deutlich komplexer. Die ohnehin sehr heterogenen Kundenaufträge in unserem Geschäft sind auch sehr unterschiedlich mit Bezug auf das Volumen. Das wirkt sich natürlich auf den Energieverbrauch aus und macht das Bereinigen an den Produktionsanlagen komplizierter. Auch die Unterschiede in den natürlichen Eigenschaften von Bohnen und anderen Rohstoffen (bspw. natürliche Feuchte) spielen eine wichtige Rolle für den Energieverbrauch und machen diese zu relevanten Variablen.

Ein interessantes Beispiel kommt aus dem Bereich Logistik: Das Hochregallager und die Kommissionierung müssen das ganze Jahr eine konstante Temperatur haben. Nach internen Berechnungen wird der Gasverbrauch dafür nicht nur von der Außentemperatur beeinflusst, sondern auch von der Anzahl der Mitarbeiter und der Anzahl der gepackten Kartons. Zum Glück werden diese Daten von der Logistikabteilung bereits erhoben.

Wir brauchen Messdaten und Korrelationsanalysen. Im besten Fall sind solche Daten schon vorhanden oder werden durch die installierte Messtechnik demnächst vorliegen. Eine solche Tiefe und anspruchsvolle Analyse ist die Aufgabe für die nächsten Jahre.

Ein weiteres großes Thema 2020 ist das Anpassen der Ausgangsbasis nach dem Technologiewechsel in der Wärmeerzeugung: Durch die Inbetriebnahme der BHKW wurde der Dampfkessel ersetzt. Das Jahr 2018 gilt als „Justierungsjahr“ und kann daher aus unserer Sicht nicht als tragfähige Referenz betrachtet werden. Wir warten nun auf die regulären Daten 2019 und stellen uns der Herausforderung der Anpassung.

 

 

 

Eine gelungene Integration verschiedener Managementsysteme ist eine Königsdisziplin. Gelingt diese, steigt die Systemeffizienz, während die Kosten für die interne Pflege des Systems und die externe Zertifizierung sinken.

Wenn beide Systeme bei Ihnen auf die HLS umgestellt sind, welche Synergieeffekte versprechen Sie sich davon? Wo geht die Reise hin?

Positive Synergieeffekte würde ich in reduziertem Verwaltungsaufwand erwarten und auch in der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen. Auch bei den internen und externen Audits hoffen wir auf verminderten Zeitaufwand und steigende Effizienz bei den Kombiverfahren.

Die HLS wurde unter anderem mit dem Gedanken der Nachhaltigen Entwicklung eingeführt. Mit den bestehenden effizienten Managementsystemen wollen wir im Ganzen die Vision unseres Geschäftsführers, Herrn Budde, unterstützen: Umweltfreundliche und sozialverträgliche Herstellung von qualitativ hochwertiger Schokolade. „Dabei tragen wir dafür Sorge, dass sowohl unsere Mitarbeiter, als auch die am Beginn der Lieferkette stehenden Produzenten, so gute Arbeitsbedingungen und eine gesunde Umwelt vorfinden, dass sie hochmotoviert und engagiert sind, unser Ziel mit uns zu teilen und zu verfolgen: Menschen mit wunderbaren Genussmitteln eine Freude bereiten zu können.“ (Aus dem Nachhaltigkeitsbericht 2018 von Ludwig Weinrich)

Fragen oder Hinweise zum Thema richten Sie gerne an Thomas Möser.

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