Umsetzung der ISO 50001 bei kommunalen Energieversorgungsunternehmen

Die GUTcert hat viele anonymisierte Auditberichte von Stadtwerken über die Umsetzung von EnMS nach ISO 50001 im Zeitraum 2017-2019 ausgewertet: hier die Ergebnisse

Über diesen Survey

Die GUTcert genießt seit Jahren großes Vertrauen als Zertifizierer seitens kommunaler Unternehmen. Unter unseren Kunden sind Stadtwerke aus allen Regionen Deutschlands. In ihrer Rolle als Unternehmen öffentlicher Hand mit privatwirtschaftlichen Dienstleistungen, sind sie besonderen Herausforderungen ausgesetzt. Komplexe Aufgaben und ein Geflecht an rechtlichen und anderen Anforderungen führen dazu, dass Stadtwerke Managementsysteme aktiv anwenden, um die Vielfalt an Herausforderungen zielgerecht und systematisch lösen zu können. Sie betreiben mitunter mehrere Managementsysteme integriert: Qualität-, Umwelt- und Energiemanagement, EMAS, Compliance- und Risikomanagement. Aber auch die IT-Sicherheit ist für Stadtwerke längst ein elementares Thema. Mit dem Energiewirtschaftsgesetz hat der Gesetzgeber die meisten Stadtwerke zur Implementierung eines zertifizierten Information Security Management System (ISMS) z.B. der ISO 27001 verpflichtet. In letzter Zeit ist auch bei einigen Versorgern, insbesondere im Bereich der Netze, das Thema Asset-Management, das sich mit der Anlagenwirtschaft befasst und die Investitions- und Kostenplanung des Anlagevermögens und managt, auf die Liste der relevanten Zertifizierungen gerückt.

Getrieben aus eigenem Interesse als Zertifizierer und Ausbilder haben wir uns die Fragen gestellt, wie sich das Thema Energiemanagement und damit auch Energiemanagementsysteme in der Branche entwickeln und welche Trends sich abzeichnen. Zu diesem Zweck analysierten wir diesmal (früher: Stadtwerke und die Nachhaltigkeitsberichterstattung, White Paper) den uns zur Verfügung stehenden Fundus an Auditbeobachtungen und -feststellungen. Spannend dabei ist, dass unsere Stadtwerke-Kunden sehr unterschiedlich aufgestellt sind, was das Dienstleistungsspektrum, die Organisationsstruktur, den technischen Bestand und zur Verfügung stehende Budgets und damit die vor ihnen stehenden Herausforderungen im EnMS angeht.

Unser Augenmerk lag vor allem auf den Auditorenbeobachtungen zu folgenden Schwerpunkten:

  • Stärken und Potenziale
  • geläufige Energiekennzahlen (EnPIs)
  • umgesetzte Maßnahmen

Die publizierten Ergebnisse können den Lesern nicht nur einen allgemeinen Überblick über die Branchenentwicklungen liefern, sondern eine Art von Benchmark im Bereich Energiemanagement nach ISO 50001 ermöglichen und ggf. Anregungen für die fortlaufende Verbesserung der energiebezogenen Leistung geben.

Grundlage für den Survey 2020 bildet eine Vielzahl anonymisierter Auditberichte von Stadtwerken über die Umsetzung von Energiemanagementsystemen nach ISO 50001 im Zeitraum 2017-2019.

  • Dabei wurde die ganze Breite von kommunalen Akteuren repräsentiert: von kleineren Stadtwerken mit bis zu 70 Beschäftigten und einem Jahresenergieverbrauch von ca. 10 - 25 GWh über Mittelgroße bis hin zu großen kommunalen Versorgern mit über 1.000 Beschäftigten und Energieverbräuchen in Größenordnungen von über 100 GWh/Jahr.
  • Das Kerngeschäft bilden bei den untersuchten Stadtwerken in der Regel Energie-, Wärme- und Trinkwasserversorgung, der Netzbetrieb sowie die Abwasserentsorgung. Diese Dienstleistungen werden je nach Region und Größe der Unternehmen durch den Betrieb von öffentlichem Verkehr, Badebetrieben und der Telekommunikation ergänzt.

Eine solche Vielfalt an Unternehmensgrößen und Dienstleistungen ermöglichte es uns, im Rahmen der vorliegenden Auswertung die Schwerpunkte der Energieeffizienzverbesserung für technische Hauptprozesse und Anlagen bei den Stadtwerken herauszukristallisieren und zusammenzufassen.

Wichtiger Hinweis: Dieser Survey erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit der Ergebnisse und bietet lediglich einen Einblick in die Entwicklung der Energiemanagementsysteme nach ISO 50001 bei Stadtwerken aus Sicht der Auditoren.

1. Wege zum Energiemanagementsystem

Die Stadtwerke kommen aus durchaus verschiedenen Richtungen zum zertifizierungsreifen EnMS: zum einen wurde der Weg aus steuerrechtlichen Gründen bereits seit 2013 mit der ISO 50001:2011 beschritten, um den Spitzenausgleich nach SpaEfV (Spitzenausgleich-Effizienzsystemverordnung) geltend zu machen und zum anderen wurde durch die nationale Umsetzung der EED (Energy Efficiency Directive der EU) im Energiedienstleistungsgesetz ab 2015 die Energieauditpflicht für Nicht-KMU (Kleine und mittlere Unternehmen nach Definition der EU-Kommission) eingeführt. Einige Stadtwerke führten aus Überzeugung bereits seit 2011 ein EnMS ein, da sie die Energieeffizienz steigern und damit die Kosten senken wollten.

Interessanterweise sind bis Ende 2019 so gut wie keine von den GUTcert zertifizierten Stadtwerke auf die revidierte Norm ISO 50001:2018 umgestiegen, obwohl die Voraussetzungen dafür durch den Einfluss von Anforderungen der ISO 50003 zum Zertifizierungsverfahren in die letzten Jahren größtenteils geschaffen wurde und der Gap zur Umstellung in der Regel eher überschaubar ist. Aus diesem Grund bezieht sich die Auswertung auf die ISO 50001:2011 (im Textverlauf ISO 50001). Bei den Vergleichen zur 2018er Norm wird das Erscheinungsjahr entsprechend ausgewiesen.

2. Ergebnisse der Berichtsanalyse

Die Analyse der Berichte zeigt deutlich, dass alle untersuchten Unternehmen eine hohe fachliche Kompetenz und gute Kenntnisse in Bezug auf die technischen Anlagen und systemischen Anforderungen entwickelt haben – unabhängig vom Weg zum zertifizierten EnMS nach ISO 50001.

Im Ergebnis der Auswertung haben wir die Stärken und die Potenziale aus den Berichten zusammengefasst, kategorisiert und geordnet. Die darauffolgende Auflistung spiegelt diese Ergebnisse in einer verallgemeinerten Form wider.

2.1 Auditoren betonen in ihren Berichten folgende Stärke:

  • Das fachliche Knowhow des Energieteams mit dem Erkennen der noch bestehenden systemischen Potenziale wurde in mehr als dreiviertel der untersuchten Auditberichte als Stärke hervorgehoben. Viele Potenziale für die Steigerung der Energieeffizienz wurden deswegen über die Jahre aufgedeckt und erschlossen.
  • In mehr als einem Drittel der ausgewerteten Berichte wurde die treibende Rolle der Geschäftsführung bei der EnMS-Entwicklung besonderes betont. Hier geht es u.a. um eine enge Anbindung des Energiebeauftragten an die Geschäftsführung, sehr informative und effektive Managementbewertungen sowie die Integration der Energieziele als Bestandteile der Wirtschaftsplanung.
  • Ausgehend vom eigenen Anspruch an die Leistungsqualität werden bei mehr als der Hälfte der beteiligten Stadtwerke jährlich umfangreiche Investitionen für die Modernisierung der technischen Ausrüstungen und der Infrastruktur getätigt. In vielen Berichten wird betont, dass es ein jährlich verfügbares Innovationsbudget gibt, das auch für energierelevante Maßnahmen angewendet werden kann.
  • Beim Großteil der ausgewerteten Unternehmen wird die Managementdokumentation gelobt, zum Beispiel:
    • Das Dokumentationssystem wird meistens digital auf der Share Point Basis geführt und gepflegt.
    • energierelevante betriebliche Prozesse werden aufgezeichnet, ausgewertet und durch Verfahrens-, Betriebs- und Arbeitsanweisungen gesteuert, gelenkt und in die Alltagsroutine der Mitarbeiter überführt.
    • Auch Firmen-Wiki mit Bezug auf die energierelevanten Prozesse, Verfahren und Vorlagen wurden als Best Practice benannt worden.
  • Auch werden die vorausschauende Wartungsplanung und Instandhaltungsaktivitäten sowie eine durchgängige und aussagekräftige Dokumentation zur Überwachung der technischen Anlagen (insbesondere oft der BHKWs) als integrierter Teil des Tagesgeschäfts unterstrichen, so etwa in verschiedenen Berichten wie folgt festgehalten:
    • Die Wartungsarbeiten werden dezentral in den einzelnen Fachbereichen erledigt, wozu teilweise das SAP-Modul aber auch Excel-Listen genutzt werden. Wartungsarbeiten werden ordnungsgemäß entsprechend den Wartungsplänen durchgeführt und dokumentiert. Betriebliche Abläufe, auch zum energiesparenden Betrieb der Anlagen, sind im Organisationshandbuch und in Betriebsanweisungen geregelt.
    • Die Instandhaltungsaktivitäten werden je Bereich protokolliert und mit Wartungsbüchern erfasst. Neu sind Tablet-Lösungen, mit denen die Mitarbeiter vor Ort Checklisten ausfüllen, welche dann in der Zentrale abgelegt werden. Wartungen erfolgen nachweislich täglich mit energetischen Betrachtungen, z.B. Filterreinigungen und Schieberfunktionen sowie Pumpenüberwachung. Für alle Anlagen und Ausrüstungen sind externe Unternehmen mit Wartungsverträgen gebunden.
    • Die verwendeten Datenblätter enthalten alle Details zu Wartung und Reparatur der jeweiligen technischen Einheit. Wechselwirkungen zu Auslegung, rechtlichen Anforderungen und Beschaffung sind beschrieben und werden in der Praxis umgesetzt.
  • Die Mehrheit der ausgewerteten Berichte weisen einen hohen Grad der messtechnischen Erfassung von Hauptenergieverbrauchern bzw. Hauptverbrauchergruppen (Significant Energy Users, SEUs) aus, was maßgeblich auf die Anforderungen der ISO 50003 zur messtechnischen Transparenz als Grundlage der Zertifizierungsprüfung zurückzuführen ist. Die nachvollziehbare Steigerung der Transparenz in den letzten drei Jahren erfolgt großteiles durch die Erweiterung des Zählerwesens oder auch durch den Einsatz von mobilen Messgeräten. Folgende Auditbeobachtungen veranschaulichen dies:
    • Die Erfassung der Energieverbräuche und deren Dokumentation ist in einer Verfahrensanweisung und dem mitgeltenden Dokument „Zähler-Datenfluss“ geregelt. Die Zähler werden entsprechend der Anweisung entweder kontinuierlich ausgelesen oder monatlich abgelesen. Die EDL-Zentrale z.B. überwacht permanent EDL Anlagen von der Zentrale aus. Es erfolgt eine rechnerische Plausibilitätsprüfung durch Vergleich der Summe der Unterzähler mit dem jeweiligen Verrechnungszähler. Prüfungen und Eichungen werden durch die staatl. anerkannte Prüfstelle vorgenommen und in SAP dokumentiert.
    • Das Unternehmen verfügt über eine Vielzahl permanent und systemisch erfasster Zähler. Die weitere Vorgehensweise zur systematischen Steigerung der energetischen Verbrauchstransparenz sollte zeitnah und konzeptionell stärker in der Messplanung gefasst werden. Derzeit sind in der Messplanung Elektro-, Gas- und Wärmezähler sowie temporäre Messungen berücksichtigt.
  • Der Einsatz von software-basiertem Energie-Controlling ist in den letzten zehn Jahren um einiges gestiegen. Wichtig an dieser Stelle sind jedoch oft die Hinweise der Auditoren: Die rasch entwickelten Energiestammdaten müssen auch ausgewertet werden, um die versprochene Transparenz und eine Grundlage für weitere Optimierungen zu schaffen. „Datenfriedhöfe“ sind für Unternehmen schädlich – sowohl wirtschaftlich als auch in Bezug auf die Motivation der Verantwortlichen. Ein stetig wachsender Datenberg ohne smartes Auswertungssystem wirkt erschlagend. Weniger Daten, dafür aber sinnvoll definiert, sind zielführender als „immer noch mehr“ Messdaten.
  • Laut den ausgewerteten Berichten arbeiten Stadtwerke im EnMS mit einer großen Anzahl der prozess- und anlagenrelevanten energiespezifischen Kennzahlen (EnPIs) entsprechend dem bottom-up Ansatz – einige Beispiele dafür im Abschnitt 2.3. Der Survey zeigt auf: Unabhängig von der Unternehmensgröße werden ähnliche Kennzahlen für die Hauptprozesse gebildet und angewendet. z.B. für Strom- und Wärmeerzeugung, Netzverluste, Kläranlagen, Wasserwerke, Bäder, Nutzungsgrad der Umwandlungsanlagen, Gebäude, Fuhrpark etc.
  • Auch relevante Einflussfaktoren werden öfter benannt und deren Einfluss berechnet, wie folgende Beispiele aus den Auditberichten veranschaulichen:
    • Die Einflussfaktoren sind je Verbrauchsstelle festgelegt. Jede Verbrauchsstelle wird zur Kontrolle über Jahre zurück betrachtet, EnPIs werden fortlaufend gebildet und werden mit Ampelfunktion überwacht. Bei “roten” EnPIs (= Verschlechterung) wird nachgeregelt.
    • Bei den Trinkwasserversorgungsanlagen werden die EnPIs und die EnMS-relevante Zielsetzung bei der Wasserversorgungsdienstleistungen in Verbindung zu den rechtlichen und QM-relevanten Anforderungen ins Verhältnis gesetzt und alle Entscheidungen nur in diesem Geflecht der Anforderungen getroffen.
    • Die vorgenommene Bestimmung des Einflusses der Höhe der Wassersäule auf die Leistungsfähigkeit des Tiefbrunnens wurde nachvollziehbar aufgebaut und bestimmt.
    • Kläranlagen werden unter bestimmten Betriebsbedingungen gefahren. Die Belastung, Temperatur und Biologieabbau sowie die Abwassermengen werden aufgezeichnet. Aus diesen Faktoren können verschiedene Modelle erarbeitet werden, um die Belüftung/Belebung bewerten zu können.
    • Die technischen Anlagen unterliegen einem Verschleiß, was erwartungsgemäß zu einer Verschlechterung der einschlägigen EnPIs führt. Durch Instandhaltung- und Wartungsmaßnahmen wie auch durch Ersatzbeschaffung konnte die Verschlechterung nachweislich abgemildert werden.
    • Für Bäderbetriebe wurden u.a. folgende Einflussfaktoren festgestellt: Außentemperatur (Fernwärmeabsatz/Fahrweise BHKW und Kessel), Brennwert des gelieferten Gases (Fahrweise BHKW und Kessel), Niederschlagswerte (Förderung Trinkwasser), Anzahl der Nutzer im Badbetrieb.
    • Bei der Heizungszentrale sind neben der Witterung und Wartung die Schwankungen in der Wärmedifferenz zwischen Vorlauf und Rücklauf zu berücksichtigen.
    • Auf den Energieverbrauch in den Kundencentern wirken Außentemperatur, Öffnungszeit sowie die Anzahl der Besucher als Bezugsgröße aus.

2.2 Auditoren weisen auf folgende Potenziale hin:

Neben den Stärken werden in den Audits auch weitere Schwerpunkte der Entwicklung aufgedeckt. Diese bilden erfahrungsgemäß die solide Grundlage für die fortlaufenden Verbesserung sowohl der energiebezogenen Leistung als auch des Managementsystems an sich.

  • Einer der Kritikpunkte seitens der Auditoren liegt eindeutig bei der Weiterentwicklung des Mess- und Verifizierungsverfahrens.
    • Es geht zum einen um die Weiterentwicklung der messtechnischen Datenerfassung, dort, wo noch nicht alle SEUs gemessen werden und der Übergang vom manuellen Ablesen auf die automatisierten Lösungen noch nicht durchgängig umgesetzt ist.
    • Zum anderen werden nicht alle Aktionspläne mit den Angaben zu geplanten Vorher/Nachher-Messungen und der Methode der Erfolgsverifizierung gefüllt.
  • Ein weiterer Schwerpunkt ist die Weiterentwicklung der Methodik zur Normalisierung der EnPIs und ggf. die normgerechte nachvollziehbare Anpassung der Ausgangsbasen. Im Rahmen der Umstellung des EnMS auf die 2018er Version wird gefordert, die relevanten Variablen bei SEUs zu beobachten, zu messen und auf die Korrelation zu den entsprechenden EnPIs auszuwerten.
  • Auch die Organisation der internen Kommunikation ist als Potenzial bei vielen der untersuchten Unternehmen benannt worden, etwa in Folgendem:
    • während Führungskräfte und Managementverantwortliche ein gutes Verständnis des EnMS im Audit zeigen, wird bei der Begehung von Analgen festgestellt, dass die befragten Mitarbeiter auf den darunterliegenden Ebenen nur wenig informiert wurden. Im Ergebnis wurde den Verantwortlichen empfohlen, die Mitarbeiter mehr ins Boot zu holen. Die interne Kommunikation könnte neben den intensivierten Unterweisungen an den konkreten Arbeitsstellen mithilfe der Aushänge zur Darstellung von EnMS-Zielen und des Grades der Zielerfüllung und einem gut organisierten Vorschlagswesen belebt werden.
  • Im Bereich rechtliche Konformität/Compliance gibt es ebenfalls oft Verbesserungspotenzial. Das Rechtskataster basiert bei vielen der untersuchten Unternehmen auf Umwelt-Online und wird durch andere Quellen zu Rechtsvorschriften (z.B. spezialisierte Anwaltskanzlei oder Verbände) ergänzt.
    Die Pflege des Rechtskatasters wird größtenteils normgerecht durchgeführt. Eine formelle normkonforme interne Auswertung des Compliance-Status sowohl im internen Audit als auch bei der Managementbewertung bleibt jedoch einigen Unternehmen als Herausforderung erhalten:
    • In der Projektdokumentation ist eine Compliance-Bewertung nicht integriert worden, wodurch die Bewertung auf einen weiteren Prozess und späteren Zeitpunkt verlagert werden muss, was nicht optimal ist.
    • Die Bewertung des Compliance-Status ist mit einer höheren Transparenz durchzuführen, da diese nicht durchgängig ableitbar ist.
    • Eine Überprüfung der Einhaltung rechtlicher Verpflichtungen und sonstiger Anforderungen als Basis für die Bewertung durch die Geschäftsleitung im Management-Review fand nicht statt.
    • Die Anwendung von festgelegten Abläufen weist Potenzial auf, die Abläufe näher am gelebten Prozess auszurichten.

2.3 SEUs: Auszug geläufiger Energiekennzahlen

Die SEUs werden in der Regel in der Branche als Hauptverbrauchergruppen definiert und deren Anzahl ist hier in der Regel nicht sehr hoch. Es sind z.B. BHKWs, große Pumpen bzw. Pumpstationen aber auch größere Gebläse, Anlagen zur Wärmeerzeugung z.B. Kessel, Netze – und hier die zu betrachtenden Netzverluste – Trafostationen , Umspannwerke, Schaltwerke, Anlagen in der Infrastruktur z.B. Verkehrsbahnhöfe, Laternen etc. Für diese werden Energiekennzahlen gebildet und im Audit geprüft.

Unten genannte Beispiele zu Energiekennzahlen werden häufig in den ausgewerteten Berichten ausgewiesen. Sie wurden von uns kategorisiert und zusammengefasst und stellen selbstverständlich nur einen Auszug zur Orientierung dar.

  • Strom/ Wärmeherstellung:
    • Nutzungsgrad BHKW (Stromerzeugung netto + Fernwärmeeinspeisung/Erdgas- und Heizöleinsatz)
    • Stromverbrauch der Heizzentrale pro erzeugte Wärmemenge
    • CO2-Emissionsfaktoren
  • Stromnetze:
    • Netzverlust, absoluter Wert
    • Primärenergiefaktor
    • Primär Performance Indikator, PPI
  • Fernwärme inkl. Netze:
    • Netzpumpen: Stromverbrauch Netzpumpen/Wärmenetzeinspeisung
    • Wärmeverlust der Fernwärme Netze (Verlust MWh/Rohroberfläche * Gradtagzahl-Faktor)
    • Wärmeverlust Fernwärmenetz, MWh/m2 Rohroberfläche
    • Wärmeverlust eingespeiste Menge in Relation zur verkauften Menge
  • Gasnetze:
    • Energieverbrauch/abgegebene Gasmenge in kWh/Nm3
  • Wasserwerke:
    • Gesamtenergieverbrauch Rohwasser in kWh/m³ und €
    • Gesamtenergieverbrauch Reinwasser in kWh/m³ und €
    • Energieverbrauch/geförderte Wassermenge kWh/m3
  • Bäder:
    • Wärmebedarf und Strombedarf pro Badegast mit/ohne Klimafaktor
    • BHKW: Wirkungsgrad elektrisch und Wirkungsgrad thermisch mit/ohne Klimafaktor
    • Wärmeverbrauch je Betriebstag in kWh/d
    • Stromverbrauch je Betriebstag in kWh/d
    • Energiekosten pro Besucher je Betriebstag in €/B/d
    • Energieverbrauch in kWh/m³ Beckenvolumen
  • Kläranlagen:
    • Stromverbrauch/Wärmeerzeugung, el kWh th, el/kWh th
    • Stromverbrauch für Schlammbehandlung
    • Stromverbrauch für Schlammstabilisierung/Faulturm
    • Stromverbrauch für Belebung
  • Verkehr:
    • Laufleistung Fuhrpark in kWh/gefahrene km
    • Laufleistung Fuhrpark in kWh/Personenkilometer
    • Kraftstoffverbräuche in kg Biogas/100 km
  • Beleuchtung:
    • kWh/Leuchtpunkt
  • Kundenbereich:
    • Wärmeverbrauch in kWh/Besucher
    • Stromverbrauch in kWh/Besucher
    • Wasserverbrauch in m³/Besucher

2.4 Einige Beispiele von Optimierungsmaßnahmen:

Die Nachweisführung im Jahr 2019 lief in der Regel über die plausible und nachvollziehbare Darstellung der Verbesserung der energiebezogenen Leistung über einzelne Maßnahmen. Die eingesparten kWh wurden im Audit geprüft und im Bericht festgehalten.
Hier einige Beispiele der Optimierungsmaßnahmen je SEU:

  • Strom/Wärmeherstellung:
    • Der Einsatz von Erdgas für die Vorwärmung im neuen Kessel
    • Austausch der Brenner bei der HD-Kesselanlage
    • Anpassungen der Steuerungen der Heizungspumpen im BHKW und Kopplung an die Kessellaufzeiten
    • Bedarfsgerechte Nutzung der Entfeuchter in den Druckerhöhungsanlagen
    • Umstellung auf einen Brennwertkessel
    • Hydraulischer Abgleich und energetische Optimierung
    • Stilllegung nicht mehr benötigter Heizflächen
  • Transformatoren:
    • Austausch von Transformatoren mit verbesserter Effizienz
  • Wasserwerke:
    • Einsatz von neuer Pumpentechnik, FU-geregelt
    • Molchung der Rohwasserleitung am Brunnen, um den Strömungswiderstand und damit die erforderliche Pumpenleistung durch eine Verkrustung zu mindern
  • Bäder:
    • Einsatz von FUs geregelten Umwälzpumpen
    • Der Umbau von Lüftungsanlagen mit dem Wärmetauscher für Umkleideräume und dem Eingangsbereich
    • Sanierung der noch nicht rekonstruierten Fassadenteile der Haupthalle
    • Umstellung auf LED in der Schwimmhalle und Umkleidekabinen
  • Kläranlagen:
    • Einsatz Brauchwasser statt Trinkwasser durch Umbindung
    • Installation von Turbogebläsen
    • Schlammeindickung mittels Zentrifuge wurde durch Bandeindicker ersetzt
    • Installation neuer Rührwerke
  • Fernwärme:
    • Erneuerung der Wärmedämmung durch Doppelrohr
    • Umbau auf Frequenzumformern in Zusammenhang mit einem "Pumpenkoordinator" und einer elektronischen Steuerung bei Fernwärme-Umwälzpumpen
    • Teil der Rohrleitung wurde zurückgebaut, was Wärmeverluste erheblich reduziert hat
    • Heizungszentrale wurde auf eine dezentrale Lösung umgebaut, womit Fernwärme/a eingespart wird
  • Verkehr:
    • Einrichtung von E-Ladestationen
    • Einsatz von umweltfreundlichen Fahrzeugen
  • Beleuchtung:
    • Umrüstung der Hallenbeleuchtung, Werkstätte, Straßenzüge und ganzen Gebäuden auf LED
  • Verwaltungsgebäude:
    • Energetische Sanierung von Fassaden, Fenstern und Dächern
    • Beheizung des Gebäudes mit dem Rücklauf des Fernwärmenetzes
    • Installation einer dezidierten Messinfrastruktur
    • Einplanung weiterer PV-Flächen in Verbindung mit Speichertechnologie
    • Beleuchtung des Gebäudes wurde komplett auf LED umgestellt
    • Optimierung Nahwärmezentrum durch den verbesserten Einsatz des vorhandenen BHKWs zur Nutzung der Abwärme im Sommer

3. Fazit der Analyse

Die Analyse von Auditorenfeststellungen lässt uns schlussfolgern, dass das EnMS in die Geschäftsprozesse von Stadtwerken bereits gut integriert ist. Dies zeigt sich sowohl auf der technischen als auch auf der systemischen Ebene. Ein breites Spektrum der bereits umgesetzten Optimierungsmaßnahmen signalisiert nicht nur die in vielen Fällen deutlich gewordene energetische Optimierung, sondern die Investitionsbereitschaft der Branche insgesamt.

Die festgestellten und benannten Potenziale sind keine gravierenden Mängel, sondern eher als eine weitere Stufe der Entwicklung zu verstehen. Die fortlaufende Verbesserung im Jahr 2020 bedeutet nach so vielen Jahren des Funktionierens vom EnMS in der Regel keine größeren Verbesserungen als „low hanging fruit“. Ein immer tiefer gehendes Verständnis von technischen Anlagen und technologischen Prozessen mithilfe einer ausreichenden messtechnischen Transparenz und statistischen Auswertung der Daten über Jahre sind zu den Voraussetzungen für die Investitionsentscheidungen für die Verbesserung der energiebezogenen Leistung geworden – und für die Zertifikatsvergabe.

Mit Blick auf die neue ISO 50001:2018 ist es elementar, dass die Unternehmen sich von einer einzigen Baseline (z.B. Jahreszahl) verabschieden und jeweils für jede SEU EnPIs sowie normalisierte Baseline-Werte bilden.

Der EnMS-Entwicklungstrend für die nächsten Jahre liegt vor allem in einer grundlegenden Umstellung – weg vom Reagieren auf äußere Umstände hin zur bewussten Steuerung technischer Anlagen und Prozesse – basierend auf dem energetischen Optimum unter sich ändernden Bedingungen. Zudem wird eine quantitative Bereinigung der Leistung und Verifizierung des Fortschritts unabdingbar.

4. Ausblick

Ein weiterer bevorstehender Schritt ist bei der kommunalen Energieversorgung der Weg vom reinen Energiemanagement hin zum Klimamanagement. Ganz im Sinne der Kontextanalyse der neuen ISO 50001:2018 ist u.a. das Berücksichtigen des Klimawandels als zukunftstreibendes gesamtgesellschaftliches Thema für ein kommunales Unternehmen in Deutschland mehr als notwendig.

Im Rahmen der vorliegenden Auswertung 2020 konnten wir die energiebezogenen Ziele und ihre erfolgreiche Verfolgung nachvollziehen. Im Bereich Klimamanagement waren die Bemühungen leider noch nicht flächendeckend ersichtlich. Einige Stadtwerke haben bereits Ziele für die Emissionsreduktion bei der Energiebereitstellung und nutzen entsprechende KPIs bei der Auswertung der Optimierungsmaßnahmen. Andere legen Maßnahmen zum Ausbau der Erneuerbaren Energien im Portfolio fest. Der Großteil der untersuchten Stadtwerke steht jedoch eher am Anfang des Weges.

Unseren Eindruck spiegeln die Ergebnisse einer Umfrage von Statista aus dem Jahr 2018 wider1. 193 Geschäftsführer und Vorstände von Stadtwerken und Energieversorgungsunternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wurden zu den aktuellen Fragestellungen für die Branche befragt. Über dreiviertel der Stadtwerke setzen laut der Umfrage in den nächsten 2 bis 3 Jahren den Fokus auf die Optimierung interner Prozesse, CRM und vor allem auf die Digitalisierung. 54 Prozent der Befragten gaben an, dass sich Stadtwerke stark bzw. sehr stark mit Investitionen/Maßnahmen im Bereich Erneuerbare Energien auseinandersetzen werden. 41% der Befragten stellen sich die Ziele für die Verbesserung der eigenen Energieeffizienz.

Auch wenn der Fokus bei vielen Stadtwerken auf Energieeffizienzmaßnahmen und Investitionen in die Herstellung umweltfreundlichen Energie bereits gesetzt wurde, fand sich der aktive Kampf gegen den Klimawandel 2018 noch nicht so stark auf der politischen Agenda Deutschlands, wie es seit 2019 im Zuge von Fridays For Future ist. Damals stand tatsächlich eher die Digitalisierung auf dem ersten Platz der Herausforderungen für die Wirtschaft.

Das Jahr 2021 ist das Jahr der Umstellung der UN-Vereinbarungen in Bezug auf die Bekämpfung des Klimawandels vom unverbindlichen Kyoto-Protokoll auf das für die Staaten der Welt verpflichtende Pariser Abkommen aus 2015. Auch Deutschland nimmt seine Verantwortung ernst und legt die neuen Anreize und Verbote fest, die weiter zum Klimaschutz beitragen sollen. U.a. spielen die kommunalen Unternehmen im Klimapaket der Bundesregierung 2019 eine wichtige Rolle. Sie tragen dabei eine doppelte Verantwortung: einerseits als Energie-, Wärme- und Wasserversorger und Anbieter der lokalen Mobilitätskonzepte und andererseits als „Berater“ der Bevölkerung. Der Ausbau eigener umweltfreundlichen Leistung nicht nur bei der Strom-, sondern auch bei der Wärmeversorgung und im Verkehr gehen Hand in Hand mit dem innovativen Leistungsangebot für die Kunden.

Aus diesen Gründen sollten die Stadtwerke spätestens jetzt diesen neuen politischen Trend stärker berücksichtigen. Eine Bestandsaufnahme in Bezug auf die Treibhausgas (THG)-Emissionen und die strategische Positionierung mit der Einführung eines Klimamanagements sind hier unabdingbar und sind übliche Praxis. Es geht auch hier um das Management und ISO-Normen. Daher empfehlen wir den Ausbau des Klimamanagements auf dem Fundament eines EnMS:

  • Eine aussagekräftige THG-Bilanzierung ist ein erster Schritt für die weiteren strategischen Entscheidungen im Sinne der Steigerung der Klimafreundlichkeit. Diese Aufgabe lässt sich mit Hilfe der Datenerfassung vom EnMS (zumindest für die Scope 1 und 2) deutlich leichter bewerkstelligen.
  • Auch die im EnMS bestehenden Organisations- und Kommunikationsstrukturen werden den Verantwortlichen helfen, neue Horizonte zu erschließen.
  • Ferner schlagen beim Meistern von neuen Aufgaben die soliden messtechnisch belegten Kenntnisse über eigene Anlagen und Prozesse zu Buche.

Kurz zusammengefasst: Ein gut funktionierendes EnMS bereitet eine gute Grundlage für den Ausbau eines Klimamanagements. Wie genau dieser Weg bestritten werden kann, werden wir demnächst in einem GUTcert Leitfaden „Von Energie- zum Klimamanagement“ für Sie erläutern.

Autorin: Yulia Felker, Leadauditorin ISO 50001 und ISO 14001

Fragen zum Thema beantwortet Ihnen gerne Nico Behrendt.

1Stadtwerke - Umfrage zu aktuellen Fragestellungen in Deutschland 2018, Veröffentlicht von A. Breitkopf, 27.06.2019), Statista https://de.statista.com/statistik/daten/studie/456110/umfrage/aktuelle-fragestellungen-fuer-stadtwerke-in-deutschland/, letzter Abruf März 2020.

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