Studie zeigt: Lieferketten sortieren sich neu – Forderungen der ISO 9001 zur Lieferantenbewertung

Die Corona-Pandemie, politische Spannungen und Auswirkungen des Klimawandels bringen die globalen Lieferketten derzeit mächtig durcheinander.

Verzögerungen und Lieferengpässe sind an der Tagesordnung. Daher ziehen Deutsche Unternehmen Konsequenzen und sortieren ihre Lieferketten neu. Die ISO 9001 gibt hierbei einen Rahmen für die Lieferantenbewertung vor.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat eine Befragung bei den Mitgliedsunternehmen der Deutschen Auslandshandelskammern, Delegationen und Repräsentanzen (AHKs) durchgeführt. Der AHK World Business Outlook – Herbst 2021 erfasst die Rückmeldungen von weltweit mehr als 3.200 deutschen Unternehmen, Niederlassungen und Tochtergesellschaften sowie Unternehmen mit engem Deutschlandbezug.

Deutsche Unternehmen passen ihre Lieferketten an

Besonders spannend ist die Sonderauswertung der Umfrage in Bezug auf die Neusortierung von Lieferketten (Sonderauswertung AHK WBO, Herbst 2021). Aktuelle Lieferschwierigkeiten und Preissteigerungen bei Containern und Frachtkapazitäten auf Schiffen führen dazu, dass 54 Prozent der befragten Unternehmen ihre Lieferkette aktuell diversifizieren bzw. bereits Anpassungen vorgenommen haben. Die Ursachen für die Probleme sind vielfältig und reichen laut Umfrage von handelspolitischen Maßnahmen wie Export- oder Importbeschränkungen bis zu Produktionsausfällen aufgrund von Krankheitsfällen. Über die Hälfte der befragten Unternehmen im Ausland gibt die Coronavirus Pandemie als Ursache für Probleme in Lieferketten und Logistik an (14 Prozent mehr gegenüber dem Frühjahr 2021).

Anteil der Unternehmen die ihre Lieferkette diversifizieren wollen bzw. die bereits Anpassungen vorgenommen haben (eig. Darstellung, Quelle: AHK World Business Outlook – Herbst 2021)

Von den Unternehmen, die im Bereich Lieferkette Änderungen vornehmen bzw. dies bereits getan haben, gaben 72 Prozent an, dass sie aktuell neue oder zusätzliche Lieferanten suchen. 32 Prozent wollen ihre Lieferwege verändern oder verkürzen. Interessant ist, dass trotz des damit verbundenen finanziellen und organisatorischen Aufwands rund 15 Prozent der Unternehmen ihre Produktion bzw. Teile davon an neue Standorte verlagern wollen.

Unternehmen suchen nach neuen oder zusätzlichen Lieferanten

Bei Unternehmen, die aktuell auf der Suche nach zusätzlichen oder neuen Lieferanten sind, spielen verschiedene Faktoren eine Rolle.

Faktoren bei der Suche neuer oder zusätzlicher Lieferanten (Mehrfachantworten möglich, Quelle: Sonderauswertung AHK WBO, Herbst 2021):

  • Zuverlässigkeit der Geschäftspartner (78%)
  • Produktqualität (67%)
  • Preis-Leistungs-Verhältnis (67%)
  • Geographische Lage der Lieferanten (29%)
  • Local-Content-Vorschriften / Lokalisierungsvorschriften (17%)
  • Betroffenheit / Umgang Coronavirus-Pandemie (11%)
  • Sonstiges (6%)

Neben den klassischen Auswahlkriterien wie Zuverlässigkeit und Preis spielen bei einem wachsenden Anteil von Unternehmen auch Nachhaltigkeit und Local-Content-Vorschriften eine Rolle. Local-Content-Vorschriften, wie bspw. „Buy America“ in den USA, geben vor, dass ein vorgegebener Anteil eines Produkts im eigenen Land hergestellt werden muss.

Wie kann ISO 9001 die Lieferantenauswahl unterstützen?

Gerade im produzierenden und verarbeitenden Gewerbe, der Logistik aber zunehmend auch im Dienstleistungsbereich sind nach ISO 9001 zertifizierte Qualitätsmanagementsysteme weit verbreitet.
Dabei gibt die Norm einen Leitfaden vor, der Unternehmen bei der Auswahl von Lieferanten unterstützen kann und für eine ganzheitliche, systematische Betrachtung der damit zusammenhängenden Aspekte sorgt.
Die spezifischen Anforderungen an Lieferanten sind dabei immer durch das Unternehmen selbst festzulegen. Neben diesen expliziten Anforderungen finden sich in der Norm weitere Aspekte, die bei der Suche nach neuen oder zusätzlichen Lieferanten berücksichtigt werden sollten. Nicht außer Acht gelassen werden sollte dabei auch die Frage, ob der jeweilige Lieferant seinerseits ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem unterhält. Das gibt die Gewissheit, dass Kundenanforderungen an Produkte und Leistungen systematisch erfasst, bewertet und eingehalten werden.

Kapitel der ISO 9001:2015 mit Relevanz für die Lieferantenauswahl

Fazit

Wie bereits im Juli diesen Jahres im Artikel zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) besprochen, werden große Unternehmen in Deutschland – und demnächst auch auf EU-Ebene – gesetzlich verpflichtet, sich mit ihrer Lieferkette auseinanderzusetzen. Zudem wachsen Anforderungen an KMU, da große Unternehmen die Kriterien über Ausschreibungen an ihre Zulieferer weitergeben. Gleichzeitig ist ein Teil der deutschen Unternehmen durch die Probleme in den globalen Lieferketten auch intrinsisch motiviert, neue und zusätzliche Lieferanten zu suchen. Die ISO 9001:2015 gibt hier einen guten, aber sehr allgemeinen Leitfaden vor. Inwieweit Unternehmen Nachhaltigkeitskriterien wie die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) und Leistungsindikatoren für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (GRI, DNK) berücksichtigen, bleibt ihnen (noch) selbst überlassen.

Ansprechpersonen

Bei Fragen rund um die Zertifizierung nach ISO 9001 wenden Sie sich gerne an Andreas Lemke und Anne Kraft.

Zurück