Biodiversität und globales Wirtschaften im Einklang – geht das?

In einer neuen Studie werden die Auswirkungen wirtschaftlicher Aktivitäten auf die globale Biodiversität untersucht – und wie eine harmonische Koexistenz aussehen könnte

In einer gemeinsamen Studie beschreiben der NABU und die Strategieberatung Boston Consulting Group (BCG) den Wert der globalen Biodiversität und der auf ihr beruhenden Ökosystemdienstleistungen. Die Treiber des rapide fortschreitenden Biodiversitätsverlusts werden identifiziert, aber auch ein Überblick darüber gegeben, wie Maßnahmen verschiedener Wirtschaftssektoren (wie der Land- und Forstwirtschaft) zu einem systemischen Wandel beitragen können, der eine harmonische Koexistenz unternehmerischer Aktivitäten und Biodiversität ermöglicht.

Biodiversität, Ökosystemdienstleistungen und ihre Bedrohungen

Die weltweite Biodiversität bildet die Grundlage für sogenannte Ökosystemdienstleistungen, wie zum Beispiel die Bindung von CO2 durch Bäume, Hochwasserschutz durch Mangrovenwälder oder Bestäubungsleistungen durch Bienen. Der wirtschaftliche Nutzen dieser Ökosystemdienstleistungen wird jährlich grob auf 170 bis 190 Billionen US-Dollar geschätzt, was dem Doppelten des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht.

Doch die globale Biodiversität, und somit auch die darauf beruhenden Ökosystemdienstleistungen, wird zunehmend bedroht durch veränderte Land- und Meeresnutzung, direkte Übernutzung von Ressourcen, Klimawandel, Verschmutzung von Böden, Wasser und Luft sowie die Ausbreitung invasiver Arten. Angetrieben wird der Biodiversitätsverlust durch menschliche Aktivitäten wie Land- und Forstwirtschaft, Rohstoffabbau, industrielle Produktion oder die Ausweitung von Infrastruktur.

Nicht-nachhaltige Landwirtschaft als Treiber des Biodiversitätsverlustes

Die größte Triebkraft für den Schwund der Biodiversität und die Schädigung der Ökosysteme ist dabei das Umwandeln von Flächen, um die Landwirtschaft auszuweiten. Das Erschließen von Acker- und Nutzflächen ist für 80 Prozent der weltweiten Entwaldung verantwortlich und, zusammen mit nicht-nachhaltigen Anbaumethoden, dafür, dass mittlerweile beinahe 40% der Insekten vom Aussterben bedroht sind. Besonders alarmierend ist die Aussicht, dass mehr als 80% der zukünftig erwarteten Abholzung in den empfindlichsten Ökosystemen der Welt stattfinden soll.

Hebel zum Schutz der Biodiversität

Um den Zielkonflikten, die eine harmonische Koexistenz von Biodiversität und unternehmerischen Aktivitäten bislang erschwerten entgegenzuwirken, fordert die Studie einen systemischen Wandel in unserem Wirtschaftssystem. Sechs Hebel werden genannt, die helfen können, den Wert der Biodiversität in wirtschaftliche Entscheidungen zu integrieren:

  • Schutz, Wiederherstellung und integrierte Landnutzung
  • Regulierung und wirtschaftliche Anreize
  • Freiwillige Selbstverpflichtungen
  • Innovation und Kollaboration
  • Information und Bewusstseinsbildung
  • Kapazitätsaufbau

Auf zwei dieser Hebel wollen wir hier näher eingehen.

Regulierung und wirtschaftliche Anreize

Das Einrichten und Durchsetzen von Regulierungsinstrumenten auf der richtigen Ebene bietet eine Möglichkeit, gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt zu gewährleisten – für Produzenten, Händler und Verbraucher. Ein Verbot von schädlichen Praktiken und Betriebsmitteln, aber auch die seit 2019 von der europäischen Kommission diskutierten strengeren Vorschriften zur Beschränkung von Importen, die zur Entwaldung beitragen, sind Beispiele für mögliche Regulierungsinstrumente.

Auch wirtschaftliche Anreize können entscheidend sein, damit alle Akteure zu biodiversitätsfreundlichem Wirtschaften übergehen. Die Studie fordert, öffentliche Mittel an die Bereitstellung öffentlicher Güter wie Kohlenstoffspeicherung oder spezifische Naturschutzleistungen zu knüpfen. Auf diese Weise könnten Subventionen biodiversitätsfördernde Systeme finanziell attraktiver machen und dabei lokale Wirksamkeit erzielen, ohne dass sich das auf die Verbraucherpreise auswirkt. Über Zertifizierungen wie REDcert und ISCC können Landwirte beispielsweise nachweisen, dass sie die Nachhaltigkeitsanforderungen der Erneuerbaren Energien Richtlinie der EU (RED, 2009/28/EG) beim Anbau von Nutzpflanzen einhalten.

Freiwillige Selbstverpflichtungen

Mithilfe zertifizierter Standards können gute Biodiversitätspraxen von Unternehmen gegenüber Firmenkunden und Endverbrauchern kenntlich gemacht und ein Wandel in der Wertschöpfungskette angestoßen werden. Wichtig ist dabei laut der Studie, dass die Zertifizierungsstellen sicherstellen, dass die Standards und Gütesiegel in der gesamten Wertschöpfungskette eingehalten werden – einschließlich Ressourcengewinnung und Anbau. Standards wie der Round Table on Sustainable Palm Oil (RSPO) können den nachhaltigen Anbau von stark risikobehafteten Produkten wie Palmöl sicherstellen und stehen für den besonderen Schutz von Flächen mit einem hohen Wert für die globale Biodiversität, wie etwa Primärwälder oder Feuchtgebiete.

Ansprechpartner

Wenn Sie Fragen zum RSPO oder Interesse an einer REDcert-, ISCC- oder RSPO-Zertifizierung haben, wenden Sie sich gerne an Leonie Netter.

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