Rolle des QMS bei Nachhaltigkeit der Produkte und Dienstleistungen – Teil 3

Teil 3 unseres Interviews zum Thema ISO 9001 und Nachhaltigkeit mit Yulia Felker, Auditorin und Leiterin des GUTcert- Nachhaltigkeitsbereichs

GUTcert: Was treibt Unternehmen an, auf das Thema Nachhaltigkeit zu fokussieren?

Felker: Der Markt fordert heute mehr denn je, dass sich Unternehmen in Richtung Nachhaltigkeit bewegen. Trotz der Verschiebung gesetzlicher Anforderungen in Europa, wie bei der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) oder bei der Revision des europäischen Lieferkettengesetzes, sind die Strategien zur Förderung der Nachhaltigkeit in der Wirtschaft keineswegs hinfällig.

Warum? Der Klimawandel, die Ressourcenknappheit und der demografische Wandel bleiben allgegenwärtig und müssen von der Wirtschaft adressiert werden. In den vorangegangenen Teilen unseres Gesprächs haben wir ausführlich über den Einfluss von Umwelt- und sozialen Trends im unternehmerischen Alltag gesprochen. Eine Verschiebung der gesetzlichen Fristen bedeutet lediglich, dass Unternehmen mehr Zeit haben, sich auf die kommenden Pflichten vorzubereiten. Ob bei der Akquise neuer Aufträge oder der Markteinführung neuer Produkte, das Nachhaltigkeits-Image eines Unternehmens bleibt entscheidend – sowohl extern für den Markt als auch intrinsisch für die stabile Entwicklung des Unternehmens.

GUTcert: Wie wird diese Information über Nachhaltigkeit extern kommuniziert?

Felker: Nachhaltigkeit in Unternehmen lässt sich in zwei wesentliche Bereiche unterteilen: die Produktebene und die Unternehmensebene. Diese Unterscheidung ermöglicht den Einsatz verschiedener Kommunikationsstrategien, um die Nachhaltigkeitsanstrengungen nach außen sichtbar zu machen.

Tabelle über Nachhaltigkeit in der Praxis mit den Spalten "Produkt & Nachhaltigkeit" und "Betriebliches Nachhaltigkeits-Managementsystem (NMS)

Auf Produktebene werden zahlreiche Nachhaltigkeitsanforderungen gestellt, die häufig direkt durch die Erwartungen der Kunden geprägt sind. Besonders im B2C-Sektor sind Nachhaltigkeitszertifikate oder spezifische Standards entscheidend, um die Aufmerksamkeit der Kunden zu gewinnen und sich von der Konkurrenz abzuheben.

In der externen Kommunikation liegt der Fokus oft auf der Ressourceneffizienz, der Herkunft (z.B. Bio oder Fair Trade) eines Produkts oder dessen Klimaauswirkungen. Dabei geht es vor allem um die Substitution bestimmter Ressourcen durch umweltfreundlichere Alternativen, die beispielsweise die Lebensdauer eines Produkts verlängern oder ein besseres Recycling ermöglichen.

Dies gilt auch für die Produktionsprozesse: Die Vielzahl an Bio- und Nachhaltigkeitslogos auf Verpackungen, besonders bei Lebensmitteln, Reinigungsmitteln, Kosmetik oder Möbeln, ist weithin bekannt.

Ein weiteres wichtiges Kriterium zur Bewertung der Produktnachhaltigkeit ist der Product Carbon Footprint (PCF), der den CO₂-Fußabdruck eines Produkts durch eine fundierte Methodik quantifiziert.

Diese Themen sind nur einige Beispiele für die Fragen, die die Gesellschaft an Hersteller und Dienstleister stellt. Sie umfassen weit mehr Aspekte, als ein reines Qualitätsmanagement (QM) abdecken kann. Dennoch fungiert das QM als entscheidende Schnittstelle, indem es die Qualität der Rohstoffe und die Eignung nachhaltigerer Alternativen prüft – sei es für verbessertes Recycling oder einen reduzierten CO₂-Fußabdruck. Zudem unterstützt es Führungskräfte bei Entscheidungen, wie der Auswahl neuer Rohstoffe oder der Optimierung von Prozessen.

Auf Unternehmensebene geht es um den Aufbau eines Nachhaltigkeitsmanagementsystems (NMS), das verschiedene nachhaltigkeitsrelevante Themen bündelt, in die gelebten Prozesse integriert und so die Risiken für die eigene Nachhaltige Entwicklung mindert und gleichzeitig die Marktchancen erhöht.

GUTcert: Wie können etablierte Managementsysteme hilfreich sein, um den Weg einer systematischen Nachhaltigen Entwicklung einzuschlagen?

Felker: Bereits eingeführte und häufig zertifizierte Managementsysteme unterstützen dabei, langfristige Aufgaben in komplexen Organisationen effizient zu strukturieren. Sie eignen sich daher hervorragend als Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung. In der Einleitung der DIN EN ISO 9001 wird zudem betont, dass diese Norm zur Nachhaltigen Entwicklung von Unternehmen und Gesellschaft beiträgt. Sie fördert beispielsweise die Stabilität des Geschäftsmodells durch zufriedene Kunden, angepasste Produkt- und Dienstleistungsangebote, Stakeholder-Analysen oder Marktforschung.

Seit der Einführung der High Level Structure (aktuell Harmonized Structure) im Jahr 2015 bietet jede etablierte Managementnorm eine gute Schnittstelle zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, da sowohl die Stakeholder-Analyse als auch die Risiken- und Chancenanalyse feste Bestandteile der neuen Anforderungen sind.

GUTcert: Wie eignet sich das Qualitätsmanagementsystem nach ISO 9001 für die Integration von Nachhaltigkeitsthemen?

Felker: Das Nachhaltigkeitsmanagement steht übergeordnet, das QM deckt dabei einen Teilbereich ab und konzentriert sich auf wirtschaftliche Themen. Ein vorhandenes Qualitätsmanagementsystem (QMS) nach ISO 9001 bietet den Vorteil, dass Unternehmen nicht bei null beginnen müssen, da viele Grundlagen und systematische Vorgehensweisen bereits vorhanden sind: Kommunikationsstrukturen, Dokumentation, Disziplin bei der Zielsetzung sowie Vorgabedokumente existieren bereits. Die in der ISO 9001 verankerten Ansätze können systematisch um Nachhaltigkeitsaspekte erweitert werden. Das bedeutet, dass Elemente des QMS – wie der Kontext der Organisation, Stakeholderanalyse, Unternehmenspolitik und -ziele, Dokumentation, Kennzahlensystem, Schulungskonzepte, internes Audit und die Managementbewertung – lediglich um Nachhaltigkeitsaspekte ergänzt werden müssen.

Ein Managementsystem, im Gegensatz zu mehreren oder integrierten Systemen, bietet eine umfassende Basis, um weitere Systeme zu integrieren. Dank des PDCA-Zyklus und eines systemischen Ansatzes kann ein Unternehmen problemlos weitere Managementsysteme einbinden. Werden die Systeme ISO 9001, ISO 14001 und ISO 45001 zusammen mit dem Energiemanagementsystem nach ISO 50001 integriert, decken sie einen Großteil der für Nachhaltige Entwicklung relevanten Themen ab. Ein integriertes Managementsystem erfüllt beispielsweise 80-90% der Anforderungen des Lieferkettengesetzes.

 

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Bei inhaltlichen Rückfragen wenden Sie sich gerne an Lea Graf.

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